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Pressespiegel

Vom Rheingauer Luchs und anderen Pinselohren

aus: Diana, Zeitung der Jägervereinigung Diana Wiesbaden e.V. / Nr.39 / März 2007 (Auszüge)

"Meine Mutter hat vom Küchenfenster aus ein seltsames Viech gesehen, und jetzt war in der Zeitung ein Bild von einem Luchs. Und sie ist sich sicher, dass das auch so einer war." Seit jener Beobachtung in einem Rheingau-Städtchen waren etliche Monate vergangen. Erst jetzt, sagte der Anrufer, sei er auf meine Telefonnummer gestoßen. "Sie sind doch der Luchsbeauftragte für den Rheingau-Taunus-Kreis?" Das gebe ich offen zu. Ich könne ja mal mit seiner Mutter direkt telefonieren. Die sei über 70 und topfit.
Abends, so gegen Elf sei das gewesen. Da habe sie den Luchs gesehen, erzählt mir die Mutter dann. Unten auf dem Bürgersteig, unter der Straßenlampe. "Da hat er das Hundefutter weggeputzt, das ich dort immer für den Nachbarshund hinstelle - Essensreste und sowas". Sie würde wohl ziemlich nah am Ortsrand wohnen, vermute ich. "Aber nein", entgegnet die alte Dame, "mein Haus steht mitten im Ort. Und am nächsten Abend war er dann wieder da und hat in den Topf geguckt. Der war aber dann leer und er ist weitergelaufen".
Nur an diesen zwei Abenden wurde das Tier gesehen, seither nie mehr wieder. Das war im Oktober 2005. Ein Jahr zuvor hatte ein Luchs die Kreisstraße zwischen Hausen und Fischbach überquert. Am frühen Morgen und auf freiem Feld. Augenzeugen: ein seriöser Landesbeamter und sein Sohn. Möglicherweise das selbe Tier. Möglicherweise.

Ein Problem-Luchs ?

Klar ist, dass ein Luchs, der im Ortskern Hundefutter frisst, seine arteigene Distanz zum Menschen abgelegt hat - oder nie besaß, weil er bei Menschen aufgewachsen ist. So ein halbzahmes oder gar zahmes Tier, das vermutlich irgendwo entkommen ist, kann in "freier Wildbahn" ziemlich Hunger leiden. Dann nämlich, wenn es nie die Chance hatte, das Jagen zu lernen. Das kriegen die Jungluchse normalerweise von ihrer Mutter beigebracht. Der Rheingauer Luchs am Hundenapf könnte vom beißenden Hunger in den Ort getrieben worden sein. Aber das ist Spekulation. Wir wissen es nicht.
Ein entflohener "Käfig-Luchs" hat natürlich auch das Zeug zum "Problem-Luchs". Nämlich dann, wenn er jagen gelernt hat. Das treibt er dann ohne große Furcht vor Menschen, streunt an Hühnerställen und Kaninchenkästen herum, und holt sich sein Frischfleisch womöglich "direkt vom Bauernhof". Doch der Rheingauer Luchs macht das offenbar nicht. Es wurden (jedenfalls bislang) keinerlei Vorfälle bekannt, die mit dem Pinselohr in Verbindung gebracht werden können.
Die Idee, der Rheingau-Luchs sei in Wirklichkeit Wiesbadener und stamme aus der Fasanerie, hatte ich natürlich auch. Doch die Luchse dort sind nach wie vor vollzählig.

Herkunft unbekannt

Das Rheingauer Exemplar ist bislang der einzige Luchs in Hessen, der "auffällig" geworden ist. Alle anderen Tiere, die derzeit zwischen Neckar und Weser unterwegs sind, halten die arteigene Distanz zum Menschen. Das lässt nun keineswegs den Schluss zu, wir hätten es ansonsten mit wilden Karpaten-Luchsen zu tun, die den weiten Weg in Hessens Wälder nicht gescheut hätten. Eine Zuwanderung aus dieser nächstliegenden autochthonen Luchspopulation ist eher unwahrscheinlich. Die meisten anderen Luchse in Mitteleuropa sind auf die eine oder andere Weise - direkt und indirekt - von Menschen in das Ökosystem eingebracht worden. Das "Wildeste" womit wir in Hessen rechnen, sind die frei geborenen Nachkommen jener Karpaten-Luchse, die im Böhmerwald (Tschechien) ausgewildert wurden. Jura- und Vogesen-Luchse dürften es schwer haben, zu uns zu finden. Denkbar sind auch Zuwanderungen aus dem Harz, wo Luchse wiederangesiedelt wurden. Letzteres gilt jedoch nicht für die Beobachtungen vor 2000, denn das Wiederansiedlungsprojekt begann erst in jenem Jahr. Illegale Aussetzungen sind nicht auszuschließen. Entflohene "Käfig-Tiere" können natürlich auch eine Quelle der Besiedlung sein.

(...)

Über die Gesamtzahl in der Fläche kann allerdings nur spekuliert werden. Da Luchse einen hohen Aktionsradius haben, können Meldungen im Spessart, im Vogelsberg und in der Wetterau vom selben Tier stammen. Andererseits legt die hohe Zahl der Meldungen aus verschiedenen Landesteilen innerhalb kurzer Zeiträume nahe, dass es sich um mehrere Luchse handelt. Die Sichtungen von Jungluchsen lassen den Schluss zu, dass eine Fortpflanzung im Freiland stattfindet. Nach dem kurzen Beobachtungszeitraum kann man jedoch noch nicht von einer gesicherten Population sprechen.

Beute-Konkurrent Luchs

Die Hauptbeute des Luchses in den Mittelgebirgen ist das Reh. Gelegentlich erbeutet er auch ein schwaches Rotwild-Kalb. In Gebieten mit geringer Beutedichte können auch Frischlinge zu seinem Nahrungsspektrum gehören. Ein erwachsenes Tier schlägt etwa 50 - 60 Stück Schalenwild im Jahr - also etwa ein Beutetier pro Woche. Auf den ersten Blick hört sich das gewaltig an, relativiert sich aber stark, wenn man die enorme Reviergröße eines Luchses in Rechnung stellt.
Luchse sind Einzelgänger und vertreiben jeden arteigenen Konkurrenten aus ihrem Territorium. Selbst bei optimalen Bedingungen wäre also keine "Luchsschwemme" zu erwarten. Die Fachliteratur gibt für den Kuder eine Reviergröße von 12 000 - 40 000 Hektar an. Die Luchsin begnügt sich mit 10 000 bis 15 000 Hektar. Da die Kuder an ihren Revierrändern Überschneidungen mit den Streifgebieten der Weibchen dulden, wird der Flächenbedarf unübersichtlich. Die Wildbiologen gehen daher rein rechnerisch von einem Luchs auf 10 000 Hektar (100 Quadratkilometer) aus. In dem von mir bejagten Taunusrevier mit seinen gut 400 Hektar Fläche würde also ein Luchs im Jahr etwa 2-3 Rehe erbeuten (2,4). Da bringt die nahe B 260 weitaus mehr Wild zur Strecke. Von spürbarer Beute-Konkurrenz kann also keine Rede sein. Hinzu kommt, dass der Luchs "nomadisch" jagt: da die Rehe in einem Areal nach einigen Jagdtagen extrem vorsichtig werden, sinken die Chancen auf Beute rapide. Der Luchs ist daher immer wieder gezwungen, seinen "aktuellen Pirschbezirk" innerhalb seines Revieres zu verlegen.

Luchsbeauftragte vor Ort

Der "Arbeitskreis Hessenluchs" setzt sich für eine allgemeine Akzeptanz des Luchses in Hessen ein. Der gefleckte Jäger ist offenbar gerade dabei, seinen angestammten Platz im Ökosystem wieder einzunehmen. Er ist eine Bereicherung der heimischen Fauna, auch wenn ihn nur Wenige zu Gesicht bekommen.
Wir Jäger müssen ihn nicht lieben, aber wir können ihn zumindest tolerieren. Da er auch dem Jagdrecht unterliegt, ergibt sich aus § 1 des Bundesjagdgesetzes sogar eine "Verpflichtung zur Hege". Engagierte Jäger im Vogelsbergkreis haben deshalb Anfang 2006 einen "Luchshegering" gegründet, der inzwischen weit über die Kreisgrenzen hinausreicht (www.luchshegering-vogelsberg.de). Mittlerweile hat der "Arbeitskreis Hessenluchs" in nahezu allen hessischen Landkreisen ehrenamtliche "Luchsbeauftragte" etabliert, die Hinweisen vor Ort nachgehen. Ihre Daten werden in einem hessenweiten Luchsregister zusammengeführt und nach internationalen Kriterien ausgewertet. Die Luchsbeauftragten sind auch Ansprechpartner für die Bevölkerung bei allen Fragen zum Luchs. Auf der Internetseite www.luchs-in-hessen.de sind die jeweils zuständigen Beauftragten zu finden. Dort gibt es auch weitere Informationen zum Luchs und seiner "Rückkehr" in Hessens Wälder.
 

Gerd Bauer

Zum Autor: Diana-Mitglied Gerd Bauer engagiert sich im landesweiten "Arbeitskreis Hessenluchs" und ist Luchsbeauftragter für Wiesbaden und den Rheingau-Taunus-Kreis. Alle Hinweise auf Luchse nimmt er gerne entgegen.
Da der Luchs an mehreren Tagen zu seiner Beute zurückkehrt, kann an "verdächtigen" Rehrissen eine Fotofalle installiert werden.
Tel.: 0611 - 84 65 43

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