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Gegen illegale Aussetzung

Niemand kann ausschließen, dass der eine oder andere Luchs, der durch Hessen streift, illegal ausgesetzt wurde. Das muss auch nicht unbedingt in Hessen passiert sein, sondern irgendwo auf dem Kontinent. Ein Vorgang, der in anderen Bundesländern schon für handfeste Probleme gesorgt hat. Meist sind es kleine Tierparks oder auch private Luchshalter, die sich ihrer überschüssigen Jungluchse entledigen, indem sie sie in dunkler Nacht irgendwo in die „freie Wildbahn“ entlassen. Eine klammheimliche „Entsorgung“.

Es kann gut sein, dass solche Leute sogar glauben, damit „der Natur unter die Arme zu greifen“. Das Gegenteil ist der Fall. Diese Tiere sind häufig stark auf den Menschen geprägt, also nahezu zahm. So wurden beispielsweise Luchse auf pfälzischen Autobahn-Raststätten angetroffen, wo sie seelenruhig an den Parkplätzen saßen und die Touristen zählten. Im Rheingau wurde ein Tier beobachtet, das sich im Ortskern einer Kleinstadt ungeniert an einem Napf mit Hundefutter bediente. Auch aus dem Main-Taunus-Kreis wurde ein Luchs gemeldet, der sich an der Nachbarschaft von Menschen kaum störte und sogar tagsüber unterwegs war. Es muss allerdings offen bleiben, ob es sich in diesen Fällen um entkommene Käfig-Luchse oder um illegal ausgesetzte Tiere gehandelt hat. Abgesehen von jenem Abschuss bei Spangenberg (siehe unten), waren dies bislang die einzigen „auffälligen“ Luchse in Hessen. Die harmlose Variante.

Solche Tiere haben natürlich das Zeug zum „Problemluchs“, der sich genau so wenig scheut, Geflügel und Weidetiere direkt an einem Bauernhof zu jagen. In einem Harzstädtchen wurde ein Luchs auf einem Gartengrundstück angetroffen und von einem Anwohner erschlagen. Das Tier stammte nicht aus dem Auswilderungsprojekt im Nationalpark Harz, sondern trug einen fremdem Mikrochip unter seinem Fell, der keinem Zoo oder Wildpark zugeordnet werden konnte. Möglicherweise ein heimlich ausgesetzter Luchs oder ein Tier, das irgendwo aus der Gefangenschaft entflohen war.

Als erste Reaktion der Öffentlichkeit wurde natürlich der Nationalpark bezichtigt, solche „Bestien“ auf die Menschheit loszulassen. Ein krasses Beispiel, das aber deutlich macht, dass jede illegale Freisetzung ein Tiefschlag für den Artenschutz ist. Alle Bemühungen, für Toleranz gegenüber großen Beutegreifern zu werben, werden so mit einem Schlag in Frage gestellt. Deshalb sind sich alle Fachleute einig: Freisetzungen auf eigene Faust sind de facto gegen den Luchs gerichtet.

Der Luchs von Spangenberg

Im Spätsommer 1990 saß ein Jäger auf einem Hochsitz im Staatsforst bei Spangenberg. Es war gegen Abend und er wartete auf Rehwild. Plötzlich spürte er eine Bewegung an der Leiter, schaute hinunter und sah, wie ein ausgewachsener Luchs die ersten Sprossen erklomm. Den Jäger beschlich ein beklemmendes Gefühl. Eine Katze, groß wie ein Schäferhund, die sich völlig „abnorm“ benahm. Als der Luchs die Plattform erreichte, schrie ihn der Jäger mehrfach laut an und trat schließlich nach dem Tier. Das verfehlte seine Wirkung nicht:

Der Luchs kletterte wieder hinab und setzte sich unten neben die Leiter. Dem Jäger wurde das Ganze immer unheimlicher. Die Sonne sank – und irgendwann wollte er ja wieder nach Hause. Doch da saß das seltsame Viech im Weg. Schließlich rief der Jäger laut um Hilfe. Doch niemand hörte ihn. Der Luchs blieb beharrlich sitzen.

Als die Nacht anbrach, hob der Jäger schließlich das Gewehr und feuerte neben dem Luchs in den Boden. Der erhob sich nun, aber nur um sich wenige Meter seitlich wieder hinzusetzen. Auch ein zweiter Warnschuss konnte ihn nicht verscheuchen. Schließlich entschloss sich der Jäger zu einem gezielten Schuss auf das offenbar kranke, womöglich tollwütige Tier. Der Luchs verschwand in der Dunkelheit. Erst am nächsten Morgen wurde er tot gefunden. Etwa 50 Meter vom Hochsitz entfernt.

Die Obere Jagdbehörde beim Regierungspräsidium Kassel ließ das Tier untersuchen: ein völlig abgemagerter Luchs. In seinem Magen fanden sich lediglich etwas Gras und ein kleiner Knochensplitter. Seltsame Abnutzungsspuren an einigen Zähnen rührten vermutlich von einem Drahtgitter her, an dem er immer wieder herumgebissen hatte. Hinweise auf ein Vorleben in Gefangenschaft.

Der Abschuss ging natürlich durch die Medien. Wochen später rief ein Unbekannter beim Forstamt Spangenberg an und erkundigte sich nach dem Luchs. Der Mann erzählte, er habe das Tier bei sich im Haus aufgezogen. Es sei sehr kinderlieb gewesen und wäre auch gerne im Auto mitgefahren. Schließlich habe er sich entschlossen, den Luchs in Nordhessen frei zu lassen. Dort gäbe es ja viele Rehe, von denen er sich ernähren könne.

Als der Forstbeamte dem Anrufer vorhielt, dass es unverantwortlich sei, einen zahmen Luchs, der das Jagen nie gelernt habe, einfach so auszusetzen, legte der Unbekannte brüsk auf.

Fazit:

Das völlig ausgehungerte Tier hatte sich dem Menschen nur genähert, weil der die einzig bekannte Möglichkeit war, etwas zum Fressen zu bekommen. Leicht nachvollziehbar, dass der Jäger dieses „abweichende Verhalten“ als bedrohlich empfand und schließlich schoss.
Der Luchs von Spangenberg. Eine Tragödie, zwei Opfer – und ein Vollidiot.

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