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Pressespiegel

Im Odenwald ist der Luchs daheim

Odenwälder Echo, Silke Schmidt, 28. Juni 2006

Seit Anfang des Monats ist für den Biologen und ehemaligen Heidelberger Universitätsprofessor Gerhard Sauer, der im Forsthaus Saubuche zwischen Olfen und Finkenbach lebt, klar: Im Odenwald ist der Luchs daheim. "Schon Anfang März habe ich erste Hinweise bekommen, dass es im südlichen Odenwaldkreis Luchse gibt", erinnert sich der Wissenschaftler, der sich seit seiner Pensionierung ganz der Naturbeobachtung und der fachgerechten Dokumentation seltener Tierarten widmet. Handfeste Beweise gab es damals für die Vermutung, die sich auf den Fund eines gerissenen Rehs stützte, indes noch nicht. Inzwischen ist das anders: Sauer selbst hat in den vergangenen Wochen wiederholt Spuren gefunden, die einwandfrei belegen, dass die scheue Großkatze in den Wäldern des südlichen Landkreises heimisch ist.

"Zuerst habe ich auch ein gerissenes Reh entdeckt", sagt Sauer. Sein Fund erhärtete den Verdacht, dass der Luchs am Werk sein könnte. Denn anders als etwa wildernde Hunde töten Luchse durch einen sauberen Kehlbiss und bevorzugen Muskelfleisch - beissen also dem gerissenen Wild nicht den Bauch auf, um an die Innereien zu gelangen, sondern lösen gern als erstes das Fleisch von den Keulen.

Doch bei diesem Fund allein blieb es nicht: "Unsereins ist gewohnt, auf den Boden zu schauen. Und siehe da - an drei Stellen habe ich Trittsiegel gefunden." Und die liessen keinen Zweifel mehr. "Wie alle Katzen ziehen auch Luchse beim Gehen die Krallen ein", erklärt Sauer. Die Fussspuren eines Luchses sehen damit aus wie jene einer Hauskatze, nur eben in Gross: "Rundlich in der Form und ohne Nagelabdrücke."

Wenn Gerhard Sauer über seine Entdeckung spricht, fangen seine Augen an zu leuchten: "Ich bin ganz begeistert. Das ist eine Sensation." Ganz Unrecht hat er damit nicht, galt der Luchs in Hessen doch seit dem 19. Jahrhundert als ausgestorben. Im September 1999 aber wurde im Werra- Meißner-Kreis erstmals seit etwa zweihundert Jahren wieder ein Exemplar der grossen Katze beobachtet. Seitdem sind beim Arbeitskreis (AK) "Hessenluchs" mit Sitz in Wiesbaden etliche Meldungen eingelaufen: Über 80 an der Zahl und aus den verschiedensten Ecken Hessens. Unter anderem aus der Gegend um Hanau, aus dem Spessart und aus Marburg, wo Ende September 2005 ein Luchs vor die Überwachungskamera eines allein im Wald liegenden Anwesens lief.

Der Arbeitskreis "Hessenluchs" weiss natürlich auch von Gerhard Sauers Entdeckung im Odenwald. Koordinator Gerd Bauer selbst hat Sauer anhand von Fotos der Trittsiegel bestätigt, dass es sich um Luchsspuren handelt. "Da bin ich absolut sicher", bestätigt Bauer auch gegenüber dem ECHO.

Wenngleich elegant in ihrer Gestalt, sind die europäischen Grosskatzen mit den Pinselohren durchaus imposante Geschöpfe: 50 bis 70 Zentimeter Schulterhöhe erreicht ein Luchs im Durchschnitt, dazu ein Gewicht von bis zu 30 Kilogramm. "Luchsinnen sind in der Regel etwa zwanzig Prozent kleiner als die Kuder, also die männlichen Tiere", erklärt Gerd Bauer. Die Pfotenabdrücke, die Biologe Sauer im Odenwald entdeckt hat, messen etwa acht auf neun Zentimeter - was in etwa der "Schuhgrösse" eines Bernhardiners entspricht. Auch das ist durchaus nicht untypisch, sagt der Luchsexperte Gerd Bauer und lacht: "Obwohl sie eigentlich gar nicht so arg gross sind, haben Luchse riesige Latschen."

Gerhard Sauer vermutet, dass sicherlich etliche Odenwälder seine Begeisterung für den Luchs teilen werden. Das ist ein Grund, warum er die genauen Fundorte der Trittsiegel nicht preisgibt: "Ein Luchstourismus dorthin hätte ohnehin keinen Zweck. Die Tiere sind nachtaktiv und ausserdem sehr scheu."

Sauers Befürchtung ist indes, dass es auch Zeitgenossen geben könnte, die sich für die faunistische Neuigkeit kein Stück begeistern können. Solche, die völlig irrationale Ängste schüren oder in eine ähnliche Hysterie verfallen, wie sie Bruno Problembär vor kurzem in Bayern ausgelöst hatte. "So etwas ist vollkommen unbegründet", stellt Sauer energisch klar. Angriffe von Luchsen gegenüber Menschen habe es bis jetzt noch nie gegeben. Das bestätigt auch der AK "Hessenluchs". Ohnehin, sagt Gerhard Sauer, seien Rehe das Maximum dessen, was ein Luchs in der Lage sei zu reissen. An Nutztieren wie Schafen oder Ziegen vergreifen sich die wilden Katzen nach den Erfahrungen von Wildbiologen fast nie. Ausserdem sind Luchse beim Speisen wählerisch: Wildschweinfleisch zum Beispiel verschmähen sie selbst dann, wenn es ihnen in Gefangenschaft serviert wird.

Durchstreift nun ein einzelner Luchs die Wälder im südlichen Kreisgebiet oder sind es gleich mehrere? Weder Biologe Sauer noch Fachmann Bauer aus Wiesbaden können das sagen. Sicher ist aber: Luchse sind Einzelgänger. Die Grösse ihrer Reviere hängt von der Anzahl der dort lebenden Beutetiere ab. Ein Kuder beansprucht nach Erfahrungen von Wildbiologen zwischen 12 000 und 40 000 Hektar, das Revier einer Luchsin ist 10 000 bis 15 000 Hektar gross. Und: Das Revier eines Männchens kann sich an den Rändern mit den Territorien mehrerer Weibchen überschneiden. Rechnerisch gehen Experten nach Auskunft des AK "Hessenluchs" darum in der Regel von einem Tier auf 10000 Hektar (100 Quadratkilometer) aus.

Naturfreund Sauer jedenfalls ist sicher: Wer den Luchs bislang nicht bemerkt hat, wird seine Anwesenheit auch künftig nicht wahrnehmen. Dass Luchse jetzt für den Odenwaldkreis zweifelsfrei nachgewiesen seien, bedeute schliesslich nicht, dass sie erst vor kurzem eingewandert seien. Sauer geht vielmehr davon aus, dass das oder die Tier(e) schon lange ihr Revier in der Region haben. Und er hofft, dass er in Zukunft von Naturfreunden oder Jägern noch weitere Hinweise auf Luchse im Odenwald bekommt.

Tierwelt - Der Biologe Gerhard Sauer entdeckt Beweise für das Vorkommen der scheuen Grosskatze in der Region

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